Die Geschichte hinter dem 20. Juni (Teil 1)

Veröffentlicht am 28. Juni 2024 um 16:16

Weshalb wurde der 20. Juni als Gedenktag der eritreischen Märtyrer festgelegt? Was geschah an diesem Tag und was macht diesen Tag so besonders? Darum wollen wir uns heute mit der Geschichte hinter dem 20. Juni beschäftigen und die Ereignisse darstellen, die zu diesem bedeutenden Tag führten. 

Der bewaffnete Kampf für die Unabhängigkeit Eritreas, der am 1. September 1961 begonnen hatte, war zwar von schwierigen Phasen geprägt, konnte aber immer mehr Anhänger anziehen und sie als Kämpfer gewinnen. In den Jahren 1977 und 1978 gelang es dann auch den eritreischen Befreiungsfronten ELF und EPLF, die meisten Gebiete Eritreas unter ihre Kontrolle zu bringen. 

Nur die Städte (mit Sternchen) Asmara, Barentu, Addi Keyyih und Assab waren noch unter der Kontrolle des äthiopischen Regimes (1978). (1)

Intervention einer Großmacht 

Die Militärregierung von Mengistu Hailemariam, die 1974 nach dem Putsch von Kaiser Hailesilassie an die Macht gekommen war, entschied sich für eine sozialistische Ausrichtung und sicherte sich dadurch Unterstützung durch die Sowjetunion. Neben finanzieller und politischer Unterstützung erhielt die Regierung von Äthiopien eine Vielzahl moderner Waffen, wodurch sich das militärische Kräfteverhältnis zugunsten der äthiopischen Armee veränderte.        

Mengistu Haile Mariam, der Vorsitzender der Militärregierung (Derg) und Staatschef Äthiopiens (1974-1991) (2)

Strategischer Rückzug der EPLF 

Im Zeitraum von Mitte 1978 bis Juli 1979 führte die äthiopische Armee fünf Offensiven gegen die eritreischen Befreiungskämpfer durch. Im Verlauf dieser Offensiven mussten die Kämpfer zunehmend die Städte und Gebiete aufgeben, da sie dem Feind in Zahlen und Waffen unterlegen waren. Die EPLF hatte sich bereits entschieden, sich in die schwer zugänglichen Gebirge in der Region Sahil zurückzuziehen und so ihre Kampfkraft zu bewahren. Dadurch würde sich der Krieg verlängern, und in einem verlängerten Krieg könnte sie die äthiopische Armee besiegen. 

Die Bilder (1-3) zeigen, wie die drei der fünf Militäroperationen der äthiopischen Armee gegen die eritreischen Kämpfer verliefen. Ein der Schützengräben bei Nakfa in den Sahil-Gebirgen (Bild 4)    

Vorbereitungen für die sechste Militäroffensive 

Nach dem Scheitern der fünf Offensiven begann die äthiopische Armee, eine neue Großoffensive vorzubereiten. Diese neue Kampagne nannte die äthiopische Regierung "Red Star Multifaceted Revolutionary Campaign" offiziell und wollte damit das eritreische Problem für immer lösen. In den Jahren 1980 bis 1981 unternahm sie deshalb umfangreiche Vorbereitungen und Maßnahmen. 

Sie setzte alles daran, um sicherzustellen, dass die EPLF keine diplomatische Unterstützung und Sympathie aus dem Ausland erhielt und schaffte sogar im Sommer 1981 mit Südjemen und Libyen ein Abkommen zur gemeinsamen Verteidigung zu schließen. Daraufhin unterstützte Libyen die äthiopische Regierung von Mengistu mit 250 Millionen US-Dollar, während die sudanesische Regierung unter Jaafer al-Numeri alle Aktivitäten der EPLF-Kämpfer im Sudan beendete. Mehr als jemals zuvor wurden die EPLF-Kämpfer in ihrer Basis in der Region Sahil eingekreist und isoliert.

Die Regierung von Addis Abeba setzte weiterhin alles daran, der Welt zu zeigen, dass sie die Unterstützung der eritreischen Bevölkerung bei ihrer Kampagne genießen würde. Sie ließ auch viele Entwicklungsprojekte für die Bevölkerung von Eritrea verkünden, um die Menschen in Eritrea zu locken und für sich zu gewinnen. Für kurze Zeit sorgte sie sogar dafür, dass illegales Verschwinden und Inhaftierung von Zivilisten in Eritrea reduziert wurde.   

Im Rahmen der "Roten Stern-Kampagne" fanden überall Festivals, Seminare und Versammlungen statt. Selbst der äthiopische Staatschef Mengistu verlegte Anfang 1982 seinen Regierungssitz nach Asmara. Seine gesamten Kabinettsmitglieder waren ebenfalls in Eritrea anwesend. Vor Ort wollte er die "Rote Stern Kampagne" gegen die eritreischen Kämpfer führen und überwachen. Alle glaubten, dass die Vernichtung der EPLF bevorstand. Nach der Zahl und Art der Waffen und Truppen, die der äthiopischen Armee zur Verfügung standen, sprach tatsächlich alles dafür.    

Äthiopische Armee vs. EPLF-Kämpfer 

Die äthiopische Armee war damals mit mehr als 120 000 Soldaten und modernen Waffen die stärkste im afrikanischen Subsahara. 50 000 von ihnen waren Spezialkräfte, die speziell für Kämpfe in den Bergen ausgebildet waren. Mehrere hunderte Militärberater aus der Sowjetunion waren bereit, die äthiopischen Streitkräfte zu unterstützen, und vier Generäle waren bereits entsandt, um die sechste militärische Offensive gegen die EPLF zu planen und durchzuführen.

Die äthiopische Armee setzte insgesamt 84.537 Soldaten an drei Fronten ein, und ihre Waffen waren: 

  • 55 Kampfflugzeuge
  • 131 Panzer
  • 162 Panzerwagen
  • 1 Kriegsschiff
  • 102 Infanteriefahrzeuge
  • 499 Feldartillerie
  • 48 Raketenwerfern
  • 873 Granatwerfern
  • 691 Flugabwehrkanonen (eingesetzt gegen Bergschanzen)
  • 1.349 Panzerabwehrkanonen und
  • 7.714 schwere Maschinengewehren

Die äthiopische Armee, damals die stärkste im afrikanischen Sub-Sahara war bereit für eine Vernichtungsoffensive gegen die EPLF-Kämpfer. 

Fortsetzung folgt ... 


Verwendete Quellen: 

1) ፍሽለት 6ይ ወራር - ብዓወት ህዝባዊ ግምባር - DimTsi Hafash Eritrea/ድምጺ ሓፋሽ ኤርትራ  (Eine Kurzsendung im eritreischen Radio Dimtsi Hafash über das Scheitern der sechsten Offensive). Die Sendung finden Sie unter: https://www.youtube.com/watch?v=x76A1WzplkA

2) ሰለሞን በርሀ፡ ዝኽሪ ሰነ 6ይ ወራር ኣብ 40 ዓመቱ፡ 11 ሰነ 2022 (Solomon Berhe, Gedenken an den Juni der 6. Offensive nach 40 Jahren, 11.06. 2022). https://shabait.com/2022/06/11/%E1%8B%9D%E1%8A%BD%E1%88%AA-%E1%88%B0%E1%8A%90/

3) ተኸስተ ፍቓዱ፡ 2006፡ ጕዕዞ ካብ ናቕፋ ናብ ናቕፋ፡ ኣብ ብልሒ ብብልሒ 1976-1979፡ ኣሕተምቲ ሕድሪ፡ ኣስመራ (Tekeste Fekadu, Journey From Nakfa to Nakfa, Back to Square one, 1976 - 1979)

4) Gebru Tareke, From Lash to Red Star: The Pitfalls of Counter-Insurgency in Ethiopia, 1980-82 in: The Journal of Modern African Studies, Vol. 40, No. 3 (Sep., 2002), pp. 465-498 (34 pages)

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