Nach den schrecklichen Ausschreitungen gegen deutsche Polizisten bei Eritrea-Veranstaltungen in Gießen und Stuttgart machen sich viele Menschen eritreischer Herkunft in Deutschland Sorgen und stellen sich tatsächlich viele Fragen, wie es zu solchen Gewaltexzessen von sogenannten Demonstranten kommen konnte, die sich als „eritreische Oppositionsanhänger“ bezeichnen. Viele, die uns in letzter Zeit kontaktiert haben, sind immer noch bestürzt und sprachlos darüber. Besonders ein junger Mann namens Brukh wollte unbedingt mit uns (ES für Eritreische Stimme) in Kontakt treten und sprechen. Diesem Wunsch sind wir nachgekommen und haben ausführlich mit ihm gesprochen. Aus diesem offenen Gespräch ist nun der folgende Artikel (Teil 1) entstanden, den wir dem Publikum hier in unserem Blog „Eritreische Stimme“ gerne zum Lesen anbieten.
Brukh: Danke, dass Ihr euch bei mir gemeldet habt.
ES: Du hast uns geschrieben, dass du mit uns unbedingt sprechen und etwas Wichtiges loswerden möchtest.
Brukh: Ja, genau! Ich finde einfach keine Worte für die schockierenden Vorfälle bei den Eritrea-Veranstaltungen. Um ehrlich zu sein, kann ich es immer noch nicht fassen. Menschen mit eritreischem Hintergrund leben schon seit vier Jahrzehnten hier in Deutschland und haben im Allgemeinen einen positiven Ruf. Es ist schwer zu begreifen, wie dieses Ansehen jetzt aufs Spiel gesetzt wird. Es ist einfach unglaublich!
ES: Da hast du recht, es ist immer noch unfassbar. Dabei bist du nicht der Einzige, der es so sieht und empfindet. Wenn wir fragen dürfen, wie lange bist du schon in Deutschland?
Brukh: In den 80ern bin ich als Kind zusammen mit meiner Familie nach Deutschland gekommen. Ich habe hier die Schule besucht und eine Berufsausbildung absolviert, in dem Beruf bin ich bis heute tätig. Ich muss sagen, während meiner gesamten Zeit hier in Deutschland habe ich schon viele Eritrea-Veranstaltungen besucht. So schwere Ausschreitungen und Aggressionen wie bei den aktuellen Eritrea-Veranstaltungen habe ich jedoch noch nie erlebt. Das, was ich in den Medien sehe, wirkt auf mich wie etwas völlig Fremdes. Wirklich!
ES: Was meinst du damit?
Brukh: Das passt einfach nicht zu dem Bild, das ich von der eritreischen Gemeinschaft und den Eritrea-Veranstaltungen habe, die ich kenne. Ich habe viele Landsleute hier in Deutschland kennengelernt. Wie meine Eltern sind sie anständige und fleißige Bürger, die ihrer Arbeit nachgehen. Sie sind ruhig, fallen in der Öffentlichkeit überhaupt nicht auf und hatten nie auf diese Art Kontakt mit der Polizei. So erlebe ich unsere Leute hier. Sie halten zusammen, sind immer bereit, einander zu helfen und haben eine starke Bindung zu Eritrea und ihren Familien dort. Das ist es, was ich mit Eritrea und unserer Gemeinschaft hier in Verbindung bringe. Doch solche Gewalttaten, wie sie von den Demonstranten verübt wurden, passen einfach nicht dazu. Ich meine, jeder hat zwei Hände, und ich habe mein ganzes Leben mit beiden Händen gearbeitet, ohne jemandem ständig erklären zu müssen, dass sie mir gehören. Das versteht man einfach so. Wenn ich jedoch plötzlich über Nacht eine dritte Hand bekommen würde, dann wäre das wirklich ungewöhnlich und schwer zu erklären! Deshalb empfinde ich die Szenen der Ausschreitungen bei den Eritrea-Veranstaltungen wirklich als etwas völlig Fremdes, das nicht zu unserer Gemeinschaft gehört.
ES: War deine Familie politisch aktiv?
Brukh: Ich hatte einen Onkel, der sich bei einer eritreischen Oppositionsgruppe engagierte. Sie organisierten sogar ihr eigenes Festival in Kassel, zu dem ich als Jugendlicher einmal zum Feiern ging und Spaß hatte. Es war in Ordnung. Mein Onkel und mein Vater hatten politisch unterschiedliche Ansichten und führten stets lebhafte und engagierte Diskussionen miteinander. Man wusste aber, wie man mit politischen Differenzen umging, und trotz ihrer unterschiedlichen Meinungen konnten sie respektvoll miteinander umgehen. In anderen eritreischen Gemeinschaften war es ähnlich. Jeder hatte seine eigene Veranstaltung, und diese verliefen immer friedlich. Höchstens kam es gelegentlich vor, dass junge Leute unter Alkoholeinfluss in Streit gerieten und sich prügelten, aber mehr auch nicht. Doch die derzeitigen Gewalttaten mit einer derartigen Brutalität, die wir sehen, sind mir völlig fremd. Ich bin sicher, dass die meisten von uns genauso denken. Außerdem, dass sie sich gegen die Polizei derart rücksichtslos und gewaltsam verhalten . . . das macht mich wirklich sprachlos.
ES: Es wird den Eritrea-Veranstaltern vorgeworfen, die Regierung in Eritrea zu unterstützen.
Brukh: Das ist einer der Punkte, der mich besonders verärgert und frustriert. Ich bin kein Mitglied der eritreischen Regierungspartei, dennoch habe ich gelegentlich gerne an solchen Veranstaltungen teilgenommen. Viele meiner Freunde und Bekannten besuchen solche Eritrea-Veranstaltungen ebenfalls gerne, oft zusammen mit ihren Familien und Kindern. Diese Veranstaltungen sind kulturelle Events wie viele andere, die jedes Jahr in Deutschland von verschiedenen Migrantenorganisationen organisiert werden. Solche Veranstaltungen sollten hier im Land ohne Probleme erlaubt sein!
Was die eritreische Regierung betrifft, so hat sie ihren Sitz in Eritrea und nicht hier in Deutschland. Ich persönlich habe keinen direkten Kontakt zur eritreischen Regierung, aber ich gehe gerne zu Eritrea-Festivals. Dafür muss man weder Mitglied der eritreischen Regierungspartei sein noch zwei Prozent Aufbausteuer zahlen. Jemand, der etwas anderes behauptet, lügt einfach, und wie man sagt, "Lügen haben kurze Beine". Der einzige Grund, der mich zu solchen Eritrea-Veranstaltungen zieht, ist meine eritreische Herkunft. Das ist kein Verbrechen, sondern mein gutes Recht.
ES: Du meinst also, die Veranstaltungen sind nicht ausschließlich politisch?
Brukh: Wir sind hier in Deutschland, und als eingebürgerte oder niedergelassene Bürger leben wir auch gern hier. Die Rechte, die Bürger in diesem Land genießen, sollten für uns genauso gelten wie die Pflichten. Solange wir hier leben, unterliegen wir den deutschen Gesetzen, nicht den eritreischen. Unser Lebensmittelpunkt ist hier, und unsere Lebensbereiche in Deutschland sind durch Grundrechte geschützt. Ist das nicht so? Natürlich ist es eine Tatsache, dass wir eritreische Wurzeln haben, auf die wir stolz sind. Deshalb pflegen wir gerne unsere Kultur und Sprache aus Eritrea. Die eritreischen Veranstaltungen, wie das jährlich stattfindende Eritrea-Festival, sind dafür die besten Anlässe und Orte, um zumindest einmal im Jahr gemeinsam mit Musikern und Spezialitäten aus Eritrea zu feiern und die Tradition zu bewahren. Besonders für die Kinder, die das Herkunftsland und die Kultur ihrer Eltern vielleicht nicht kennen, ist das eine große Freude. Es ist ein Treffpunkt für die unterschiedlichen Generationen und Gruppen, ein Ort der Begegnung zwischen Deutschland und Eritrea. Wo sollten wir sonst hingehen? Und warum sollte so etwas ein Problem darstellen? Wir haben doch das Recht auf solche Veranstaltungen.
ES: Was hältst du von den Demonstranten?
Brukh: Ich habe nichts gegen Demonstrationen. Nach dem Grundgesetz haben sie das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, um ihren Standpunkt auszudrücken. Allerdings haben sie nicht das Recht, mit Waffen wie Stöcken, Latten, Steinen und Messern gegen friedliche Menschen eritreischer Herkunft und gegen Polizisten in Deutschland gewaltsam vorzugehen. Ehrlich gesagt, sahen sie für mich nicht wie Demonstranten aus, sondern eher wie ein gewalttätiger Mob, der das Recht zur Demonstration für solche Ausschreitungen missbraucht hat. Die Bilder von diesen schrecklichen Szenen sprechen für sich. Solche Gewalttäter haben bei friedlichen Eritrea-Veranstaltungen nichts zu suchen, sondern sollten vor Gericht für ihre unfassbaren Taten verantwortlich gemacht werden. Denn vor dem Gesetz sollten wir alle gleich sein!
Teil 2 des Gesprächs wird fortgesetzt. Bei Brukh möchten wir uns recht herzlich für sein offenes Gespräch bedanken und freuen uns weiterhin auf Austausch von Gedanken und Meinungen!
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Kommentare
Ich danke sowohl ES als auch Bruk für eure Engagements.
Ich bin sicher die Mehrheit der Eritreer empfinden es genauso, wie Buruk.
Ich habe diese Gewaltexzesse außerhalb der eritreischen Veranstaltung im Fernsehen Live verfolgt.
Die Berichterstattung war auffällig subjektiv. Tatsächlich griffen junge Männer Polizisten an und es wurde suggeriert „Gegner und Unterstützer“ würden sich bekriegen. Über den friedlichen Ablauf in der Halle in Stuttgart, wurde nicht erwähnt. Der Fokus der Medien war ausschließlich den Chaoten auf der Straße gewidmet.
Dass die Demoveranstalterin eine Deutch-Äthiopierin war, wurde nicht hinterfragt und im dunklen gelassen.
Warum begeben sich überhaupt „eritreische“ Jugendliche auf eine gefährliche Reise über die Sahara und das Mittelmeer, um anschließend in Deutschland gegen jegliche Gesetze zu verstoßen. Wäre es nicht sinnvoller gewesen die eritreische Regierung von den Nachbarländern aus zu bekämpfen?
Oder sind diese, aus ganz Europa zusammen getrommelte bezahlte Demo-Legionäre?
Wieso marschiert auf der Demonstration der Gießener Bürgermeister mit und der Grüner Stadtverordneter führt die Demo an?
Nehmen vielleicht einige grüne Politiker, einen Landfriedensbruch aus politischer Motivation billigend in Kauf?
Wenn diese Ereignisse von Politikern in Schlüsselpositionen toleriert werden, können die Institutionen, wie die Gerichte und Polizei erfolgreich ihre Arbeit erledigen?
Ich bin übrigens eritreischer Deutscher, der vor niemandem seine politische Einstellung oder Religion, rechtfertigen muss. Ich stehe hinter der eritreischen Regierung, weil das mein gutes Recht ist!
MfG Tesfamariam
Vielen Dank für Ihren ermutigenden und ausführlichen Kommentar. Ihre Kritik an den Medien ist absolut nachvollziehbar.
Wir freuen uns, wenn Sie unseren Blog weiterempfehlen und weiterhin Ihre Kommentare abgeben.
Ihre Eritreische Stimme
Ich habe auch immer Sorge
Wir nehmen auch an Ihren Sorgen teil. Lass uns gemeinsam für den Erhalt unserer Grundrechte und für unser gemeinsames Interesse stehen!
Ihre Eritreische Stimme